Thematisiert wird Heinrich Schenkers Spätwerk Der freie Satz (1935). Dieses gilt gemeinhin als opus summum seiner über drei Jahrzehnte entwickelten Theorie. Nach Schenkers Theorie hält der Ursatz im Hintergrund mehrere ineinander verschlungene Schichten über horizontal auskomponierte Entfaltungen zusammen. Schenkers Fokussierung auf den horizontalen Aspekt des musikalischen Satzes stellt den Kontrapunkt als basale Satzstruktur deutlich in den Vordergrund (harmonische Stufen werden meist unabhängig von der Bezifferung zusätzlich notiert). In den Analysen des Freien Satzes sehen wir abhängig von der jeweiligen Analyseschicht sowohl kleinere als auch größere Strukturverläufe als Intervallsatz dargestellt. Das erinnert an Darstellungen von Satzverläufen nach dem Generalbasssatz des 18. Jahrhunderts. Der historische Begriff „Gang“ steht hier durchaus im Zusammenhang mit den Stimmführungszügen im Bass als Hauptentfaltungsader des Satzes. Schenkers Anknüpfen an den Generalbass als Demonstrator eines Intervallsatzes erinnert an die theoretischen Prämissen der heutigen historischen Satzlehre. Hierbei stellt sich die Frage nach der Bedeutung historischer Satzmodelle für die musikalische Analyse nach Schenker. In meinem Vortrag möchte ich untersuchen, wie Schenker in seinen Analysegraphen Satzmodelle behandelt und welche Bedeutung er ihnen zuweist. In den Notenbeispielen des Freien Satzes sind Satzmodelle in zweierlei Hinsicht enthalten: Zum einen solche, die sich hinter einem bezifferten Intervallsatz verbergen. Zum anderen gibt es aber auch kontrapunktische Satzgerüste, die von Schenker selbst benannt werden (wie z. B. „Ausfaltung“ oder „Übergreifen“). Welche Rolle tragen sie für die Analyse? Sind diese vergleichbar mit den Satzmodellen, die wir heute lehren und erlernen?
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