Den Schlusspunkt einer Konferenz im Haus der Geschichte am 12. November 2024 in St. Pölten, die dem Lebensborn-Heim „Wienerwald“ gewidmet war, bildete eine Podiumsdiskussion über künstlerische Zugänge zur Aufarbeitung von Geschichte. An der Gesprächsrunde mit dem Titel „Das Unsichtbare sichtbar machen: Künstlerische Zugänge zur Geschichte des Heimes Wienerwald“ nahm Darrel Toulon als Podiumsgast teil und erhielt so die Gelegenheit, über sein Doku-Tanz-Theater-Projekt „Prélude:LEBENSBORN“ zu sprechen, das im April 2024 mit einem partizipativen Workshop an der Anton Bruckner Privatuniversität in die aktive Produktionsphase startete.

Am 12. November 2024 fand im Haus der Geschichte St. Pölten, als vorläufiger Abschluss des Forschungsprojekts des Ludwig-Boltzmann-Instituts zur Erforschung der Kriegsfolgen im Lebensborn-Heim „Wienerwald“, eine Konferenz mit dem Titel „Zeitspuren Wienerwald. Die Geschichte und Nachgeschichte des Lungensanatoriums, „Lebensborn“-Heims und Gewerkschaftshauses in Feichtenbach, 1904–2024“ statt. Das Heim „Wienerwald“, wo insgesamt etwa 1350 Kinder geboren wurden, war 1938–1945 Entbindungsheim des SS-Vereins Lebensborn. Ziel des Vereins war es, unter dem Deckmantel der sozial-karitativen Fürsorge die Geburtenrate von Kindern, die als „arisch“ eingestuft wurden, zu erhöhen.

Bei der Konferenz diskutierten Expert*innen aus Österreich und Deutschland über die Geschichte der Lebensborn-Organisation und die Zeit, in der das Sanatorium eine Lungenheilstätte war. Thematisiert wurde auch, wie das Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg als Gewerkschaftshaus diente. Darüber hinaus wurden künstlerische Annäherungen an die Zeitgeschichte präsentiert.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion „Das Unsichtbare sichtbar machen – Künstlerische Zugänge zur Geschichte des Heimes Wienerwald“ wurde das komplexe Thema Lebensborn von dem Cellisten Valentin Erben, dem Musiker, Komponisten und Autor Bertl Mütter, der Autorin Eleonore Rodler sowie dem künstlerischen Forscher und praktizierenden Künstler Darrel Toulon unter der Moderation von Nadjeschda Stoffel aus der jeweiligen Perspektive beleuchtet.

Die Podiumsdiskussion wurde von Valentin Erben mit dem Präludium aus Johann Sebastian Bachs erster Cellosuite BWV 1007 eröffnet und von Bertl Mütter mit einer Aneignung Schuberts abgeschlossen. Dazwischen sprach Eleonore Rodler über die Entstehungsgeschichte ihres Buches „Feichtenbach: eine Faction“. Darrel Toulon berichtete über seine „arts-based methods“ zur Entwicklung eines Performance-Kunstwerks, das sich mit den Biografien und Erfahrungen von Lebensborn-Personen auseinandersetzt.

Darrel Toulon konnte mit der Schilderung seiner Ansätze und Erkenntnisse, die im Rahmen einer Lehrveranstaltung der Anton Bruckner Privatuniversität (4.–8. April 2024) gewonnen wurden, ein Beispiel für seine Herangehensweise geben sowie einen Einblick vermitteln, wie er das komplexe Thema Lebensborn durch künstlerische Interventionen beleuchtet sowie für ein nicht fachkundiges Publikum transparent und zugänglich gestaltet. Vierundzwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter von 18 bis 84 Jahren setzten sich während der fünftägigen Intensivwoche in experimentellen und performativen Formaten mit dem Erbe und dem Vermächtnis der Lebensborn-Kinder aus der Perspektive dreier direkt betroffener Generationen auseinander. In den Lebensborn-Heimen in Österreich und Deutschland geborene Menschen und Angehörige von Lebensborn-Nachfahren erarbeiteten gemeinsam mit einer internationalen Gruppe von Studierenden der darstellenden Künste aus Österreich, Deutschland, Iran, Polen, Slowenien und der Schweiz szenische Miniaturen, die vor einem geladenen und geschlossenen Publikum aufgeführt wurden. Daran schloss sich eine lebhafte Diskussion an. Dieser Prozess, so Toulon, werde letztlich zur Produktion eines zusätzlichen Kapitels in seinem bereits laufenden, partizipativen Doku-Tanz-Theater-Projekt, IN THE NAME OF THE FATHER, führen, das als „Prélude:LEBENSBORN – ein Hörspiel mit Bildern“ aufgeführt werden soll.

Abgeschlossen wurde die Konferenz mit der Ausstellungseröffnung „Am Rande des Wienerwalds. Der Lebensborn in Feichtenbach“. Konzipiert wurde die Ausstellung vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung Graz – Wien – Raabs unter der Leitung von Lukas Schretter und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte der Universität Graz.

Die Ausstellung wurde bereits zweimal an der Anton Bruckner Privatuniversität vorgestellt: das erste Mal zur Eröffnung der Elective Week im April 2024 und darauffolgend zur Konferenz „Künstlerische Dokumentation des Projekts“ am Samstag, den 6. Juni 2024. Beide Veranstaltungen fanden unter der Koordination von Darrel Toulon statt.
 

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